Stich ins Herz

[Der Krieg, Teil 9]

Ein gleißendes Licht erfüllte den Gang hinter ihnen, verstummende Schreie und der Geruch nach verbranntem Fleisch hingen in der Luft. Schweigend spurteten zwei Gestalten durch den nun stockdunklen Gang. Ihre Schritte hallten voraus und kündigten das Erscheinen der beiden an. Nicht dass es nötig gewesen wäre, denn man erwartete sie, seitdem sie zu dritt das Gebäude betreten hatten. Die beiden Läufer traten aus dem Dunkel des Ganges in das Licht einer riesigen Halle, es war der Thronsaal des ehemaligen Kaisers.

Da standen nun ein Einarmiger und ein Einäugiger vor den Stufen des Thrones, auf dem sich der Feind niedergelassen hat. Sie, die sie alle betrogen hat, die selbst ernannte Herrin und auf ihrem Arm hielt sie ihre Tochter. Entsetzt blickten die beiden Krüppel nach oben, die Herrin war die Personifikation des Übels auf der Welt und nun hatte sie Nachwuchs. Einen Erben, der ihr Machtwerk des Schreckens fortsetzen konnte. Doch bevor sie auch nur einen Fuß auf die erste Stufe setzen konnten, erschienen die Wächter. Wesen so schrecklich ein Mann sollte an ihnen zerbrechen und verzweifeln. Schweigend bildeten sie eine Gasse für die beiden, eine Drohung, wortlos, doch klar formuliert. So schritten die beiden die Stufen zum Thron hinauf und je näher sie kamen, um so mehr Schmerzen bereiteten ihnen die stummen Wächter. Rissen an ihren Seelen, peinigten ihren Geist, nur ein Wort würde genügen und es wäre der sofortige Tod.

Vor dem Thron wurden sie auf die Knie gezwungen, um der Herrin zu huldigen. Lange wurde geschwiegen, bis die Invaliden zeitgleich die Köpfe hoben. Sie starrten ihre Feindin direkt an, etwas, das kein Sterblicher wagte. Sie starrte in die Augen ihrer Gefangenen und begann zu schreien, erteilte den Befehl, die beiden zu töten. Die Fresserin des Lebens hatte erkannt, was vor ihr stand, zwei Hüllen erfüllt von der Macht zwei ihrer Brüder. Und diese Macht demonstrierten sie, ein Sturm aus Feuer brauste durch den Raum, brannte den beiden Männern das Fleisch von den Knochen, während gelbes Glimmen es sofort wieder nachwachsen ließ.

Es entbrannte ein Kampf, von dem niemand erfahren würde, eine Heldentat, die nie besungen werden wird. Zwei Krüppel gegen die Kinder der Dunkelheit. Lange dauerte es bis der Einäugige fiel, ein Krieger wie er sein sollte. Er starb aufrecht und seine letzte Tat, bevor er in tausend Stücke gerissen wurde. bestand darin, sein Knochenschwert in eine Säule zu rammen. Sie zersplitterte und erfüllte den Raum mit dem gleißenden Licht des Allvaters. Während die Kinder seines Gegenspielers geblendet wurden, sprach der Einarmige ein letztes Gebet. Das erste und einfachste. Er taufte die Tochter der Herrin im Namen des Lichts, auf, dass sie an alle Götter gebunden sei, wie es einst ihre Mutter war. Bis zuletzt ein Lächeln auf den Lippen wurde er von ihr getötet, aufgelöst in schwarzem Rauch. Seine Knochen fegten ein letztes Mal die Asche auf dem Boden, bevor sie selbst zu dieser wurden.

Zurück blieb eine tobende Göttin und ihre Getreuen, die sahen, wie zwei Krüppel der scheinbar Unbesiegbaren einen Stich in ihr kaltes Herz versetzen konnten.

OT:
An diesem Tag endet der Zyklus des Krieges. Die Herrin sperrt sich nun selbst im Osten ein, Trauer und Wut erfüllen sie ob ihres gezeichneten, gar geschändeten Kindes. Wann sie sich davon erholen und wie sie darauf, reagieren wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist nur, für einen Moment ist die Welt sicher. Vorbereitungen sind nun zu treffen, denn ihre Rache wird grausam sein. Ein neuer Zyklus wird beginnen.