Güte und Vertrauen

[Der Name der Hoffnung, Teil 1]

Zu einer friedlichen Zeit

Auf den Hügeln vor Leifrin stand ein junger Mann an einem Holzzaun und blickte über die Wiesen bis hinunter zur Stadt. Er war schön anzusehen, er war groß, schlank, soweit man sehen konnte etwas muskulös und braun gebrannt. Sein blondgelockten Haare reichten ihm gerade bis zu den Ohren, schmeichelten seinem Gesicht und vor allem seinem Lächeln aber ungemein. Er trug die einfache Kleidung eines Knechts und passte so perfekt in die Landschaft, ein Künstler hätte sofort ein Bild gemalt. Die aufgehende Sonne, an diesem frühen Herbsttag, genießend ließ er seinen Blick schweifen, bis er etwas entdeckte. Die Hügel hinunter, am Zaun entlang, lag jemand. Scheinbar regungslos, zuerst dachte er sich nichts dabei, doch als er merkte, dass das Gesicht dieser Person im Gras lag, wurde er misstrauisch.

Rufend sprang er über den Zaun, wollte wissen, ob alles in Ordnung war, doch keine Antwort kam. So rannte er bergab und erkannte, dass es sich um eine junge Frau in den Gewändern einer Magd handelte. Endlich angekommen drehte er sie um und blickte in ihr blasses Gesicht, sie musste viel geweint haben, denn die Augen waren geschwollen und wie rote Linien zogen sich die Tränen durch die Haut. Der junge Mann erkannte sie sofort, es war die Tochter der Familie, mit der die sein Streit hatte. Sinnlosen Streit, wie er meinte, Land, Reichtum, Einfluss brachte alles nichts, wenn am Ende des Tages eine Frau alleine und hilflos weinend auf einer Wiese lag.

Voller Mitleid hob er die Bewusstlose hoch und brachte sie in sein Haus. Seiner Familie erzählte er nichts davon, zu groß die Gefahr das etwas Schlimmes passieren könnte, diese Fehde ging dafür einfach schon zu lange. Die junge Frau musste sehr gelitten haben, denn sie schlief drei Tage am Stück, in der er sich um sie kümmerte. Ihr Suppe einflößte, frische Decken brachte und ihr beruhigend zuredete. Des Nachts hielt er ihre Hand, die sie auch nicht losließ. Als die Dame aufwachte, sah sie die fremde Decke hinunter und zu der Hand, die sie hielt. Verschreckt zog sie diese weg, was ihren Wächter aufweckte, der sie sanft anlächelte. „Du brauchst keine Angst zu haben, du bist hier in Sicherheit. Ich habe weder deiner noch meiner Familie gesagt, dass du hier bist“ hauchte er ihr schon fast entgegen. Sie wollte antworten, doch sie brachte nicht mehr als einen krächzenden Wunsch nach Wasser heraus, das er ihr sofort in einem Krug brachte. Behutsam half er ihr sich aufzusetzen und zu trinken, ihr verängstigter Blick wandelte sich etwas zu einem schüchternen Lächeln, mit dem sie Danke sagen wollte.

Die beiden redeten viel, über sich, ihre Familien und die Fehde dieser. Doch vermied der Schönling es, seinen Gast darauf anzusprechen, warum sie alleine auf dieser Wiese lag. Sie blieb bei ihm, denn sie verstanden sich sehr gut und als es ihr besser ging, tollten sie über die Wiesen und durch Wälder. So wurden aus Tagen, Wochen und sogar Monate. Der junge Retter spürte zwar den Frohsinn in seinen Gast zurückkehren, aber auch eine große Last, die sie mit sich herumtrug. Und diese eröffnete sie ihm eines Tages, als sie bei Abenddämmerung vor dem Kamin saßen. Sie nahm seine Hand, holte tief Luft und erzählte ihm ihre Geschichte.

Sie war, wie er, in einer großen Familie aufgewachsen. Von kleinen Reibereien abgesehen eine behütete und schöne Kindheit, mit einem kleinen Manko. Sie liebte ihren Bruder, mehr als es eine Schwester sollte und durfte. Solange sie Kinder waren, war dies kein Problem, aber als sie älter wurde und gewisse Reize entwickelte, setzte sie diese ein. Des Nachts kam sie in ihres Bruders Bett und sie schliefen miteinander. Am nächsten Morgen bereute er es und sprach kein Wort mehr mit ihr, was einem Stich ins Herz gleichkam. Doch es sollte noch schlimmer kommen, denn nach und nach passten ihr die Kleider nicht mehr. Ihr Bauch wurde immer runder und als sie ihrem Bruder gestand, dass es sein Kind war, das da heranwuchs, verließ er das Elternhaus und ging ins Kloster.

Das Kind kam auf die Welt und sie erzählte, der Vater war ein Schauspieler, der sie verführt hatte. Als Bastard von der Familie beschimpft, bleib es bei ihnen. Versteckt, damit diese Schande nicht als Schwäche ausgelegt werden konnte. Doch dann kam der wahre Vater zurück, gewandet in eine Kutte erkannte er seinen Sohn. Schmerzvoll bekannte er sich vor der Sippe zu ihm, verfluchte seine Schwester, wie sie dieses Unheil nur austragen konnte und nahm ihr das Kind weg. Er gab es einem Mönch, auf dass er es wegbringen mochte, an einen Ort, den weder Vater noch Mutter wissen sollten. Von der Familie verschmäht, vom Bruder verflucht und des Kindes beraubt lief die Frau von Zuhause weg, danach fand sie der Schönling.

Mit Tränen in den Augen sah sie ihren Retter an, darauf vorbereitet, beschimpft und hinausgeworfen zu werden, doch er legte nur seine Hand auf ihre Wange und strich ihr die Tränen weg. „Was geschehen ist, ist geschehen. Wir können nicht ändern, was war und wer wir sind. Ich weiß nicht, ob diese Wunde in deinem Herzen je heilen wird, doch ich weiß, dass ich dir hier ein Heim anbiete, in dem wir gemeinsam leben können.“ Er war ehrlich und meinte es so und um das zu bekräftigen, gab er ihr einen Kuss auf die Stirn.