Brautraub

[Der Name der Hoffnung, Teil 2]

Das Herz heilt nur langsam, manchmal nie. Aber je länger, die beiden zusammen blieben, umso besser ging es der Geretteten. Es war unvermeidlich, die beiden hatten sich ineinander verliebt, doch konnten sie es niemanden sagen. Ihre Familien würden das sicher nicht dulden, darum blieben sie im Heim des blondgelockten jungen Mannes, behütet und glücklich.

Eines Tages stand die Verliebte auf einer Blumenwiese und stellte einen Blumenstrauß zusammen, sie wollte ihn in eine Vase auf den Esstisch stellen. In neue Kleider einer Magd, die er ihr mitgebracht hatte, gekleidet und die Haare unter einer beigen Haube versteckt, erfreute sie sich des gerade anbrechenden Tages. Auf ihren Wangen war ein zartes rosa zu erkennen, denn der Morgen war etwas kühl und windig. Jede Blume wählte sie sorgfältig aus und war so vertieft darin, sodass sie ihren Geliebten gar nicht wahrnahm. Erst als er keuchend neben ihr zum Stillstand kam, wandte die junge Frau sich ihm zu. „Aber Tryphon, was ist denn los? Du bist ja ganz verschwitzt.“ hauchte sie ihm entgegen und strich durch sein Haar. „Er…“, hustete er mehr als dass er sprach, „er… hrm… hat…“, nochmal holte er tief Luft, „…ja gesagt!“.

Die Blumen fielen ihr aus der Hand und sie sah ganz schockiert aus. „Meinst… du das ernst? Hat er… hat er wirklich ja gesagt?“ stotterte sie. Da nahm der junge Mann ihre Hände und blickte in ihre wunderschönen Augen. „Ja Liebste, mein Vater sagt, wir dürfen heiraten.“ Fassungslos standen die beiden da, bis ihnen bewusst wurde, was das für ihr Glück zu bedeuten hatte. Da sprangen sie auf, tanzten, küssten sich und erfreuten sich dieser Nachricht. Für die beiden konnte der Tag der Hochzeit nicht schneller da sein und so malten sie sich tagtäglich aus, wie die Feier denn werden würde. So lange hatte es gedauert, mussten sie erst den Geschwistern und schließlich dem Familienoberhaupt klarmachen, dass ihre Liebe stark war und die junge Frau ihre alten Wurzeln hinter sich lassen wollte. Sie musste sich erst beweisen, um aufgenommen zu werden. Doch Liebe bedeutet immer Hoffnung und so kam der Tag der Hochzeit.

In einem schönen dunkelblauen Gewand mit goldenen Verzierungen wartete der Bräutigam bei seinen Geschwistern auf den Beginn der Hochzeit. An einem anderen Ort, im gemeinsamen Heim war die Braut gerade dabei, ihr Brautkleid aus einer versteckten Kiste zu holen. Sie hatte es selbst genäht und sie würde damit alle verzaubern, doch Eile war geboten, bald kamen die Schwestern ihres Zukünftigen, um sie holen, bis dahin war sie allein. Genau das wurde ihr zum Verhängnis, gerade in das wunderschöne Kleid geschlüpft, ging die Tür auf. Einer ihrer Brüder stand in der Tür, er weinte und wurde sofort weggestoßen vom Vater ihres Kindes.

„Als er mir erzählte, dass du hier bist, wollte ich es nicht glauben, ich dachte nicht, dass du noch mehr Schande über uns bringen könntest! Zu denen? Und ihren Sohn heiraten, einen Herumtreiber, Gauner und Verführer?! Nein, das lasse ich nicht zu!“, brüllte er. So sehr sie sich auch wehrte, sein Griff war felsenfest und so zerrte er sie nach draußen. Der weinende Bruder half ihm, sie auf einen Karren zu legen und zum Rest der Familie zu bringen. Ein Gericht wurde einberufen und beschlossen, diesen Schandfleck nicht mehr gehen zu lassen. Nur Unglück brachte sie und das ließ sich nur vermeiden, wenn man sie wegsperrte. Weinend wurde sie, immer noch ihr Brautkleid tragend, eingeschlossen. Den letzten, den sie sah, bevor sie gefangen war, war ihr weiterhin weinender Bruder, der ihr ein letztes Mal zuwinkte.

Der Bräutigam erfuhr erst viel später, was tatsächlich passierte und schrie sich, um seinem Leid Ausdruck zu verleihen, die Seele aus dem Leib. Es dauerte lange bis er sich wieder beruhigte und einen klaren Kopf bekam, nur um zu erkennen, dass er machtlos war. Diese Familie würde niemals seine Braut freigeben, gar dulden, dass er und die seinen sich ihr näherten. Doch er musste es versuchen.

In einer mondlosen Winternacht ergriff er die Gelegenheit beim Schopf und schaffte es tatsächlich ungesehen zu ihrem Heim und Gefängnis. Und als er dort an den Mauern stand und verzweifelt hineinblickte, sah er sie nur verschwommen, doch das reichte ihm. Er flüsterte immer wieder „Liebste, Liebste.“ bis sie ihn endlich entdeckte. Dumpf hallte ihre Stimme „Tryphon, mein Geliebter! Sie haben mich entführt und halten mich hier gefangen. Geh, flieh, bevor sie dich erwischen!“, da war auch schon etwas zu hören. Schnell flüsterte der Bräutigam noch „Ich werde dich holen, ich finde einen Weg. Niemand stellt sich zwischen uns, das verspreche ihr dir! Ich werde sooft kommen, wie ich nur kann, ich…“ Weiter kam er nicht, denn die Wachen waren zu nahe. So floh er und überlegte, was er tun konnte.