Die Kender

Göttin: Hawa (siehe: Die Götter)
Hauptstadt: Kenderstadt im Königreich der Borea
Tempel: Im Land des Ostens
Derzeitiger Anführer: –

Werter Leser, um die Geschichte der Kender zu hören, bleibt einem nur eine Möglichkeit – Nämlich einen von Ihnen danach zu fragen.
Dies ist ein Auszug aus dem Gespräch eines Kenders und eines sehr interessierten Piun-Priesters. Als Umgebung darf man sich eine Taverne, was sonst, vorstellen. Ein prasselndes Kaminfeuer und zusammengerückte Stühle, die alle in Richtung des Kenders und des Priesters zeigen.

„Nun sagt doch mal, wo wir hier in so einer illustren Runde sitzen, wie ist eure Geschichte? Was steckt hinter eurem Volk, was bewegt euch. Nie kam ich nach Borea, um Genaueres über eure Kultur zu erfahren, doch in euch sehe ich einen guten Erzähler.“

Über die Worte freut sich der Kender, sobald sie mehr erzählen dürfen, sind sie glücklich. Dem einen oder anderen Zuhörer war bewusst, dass dies nun eine längere Angelegenheit wurde und er bestellte vorsichtshalber noch 3 Bier.

„Ei ei ei, ach du feine Bimmelei. Natürlich erzähle ich euch von uns, von mir, von allen. Hihi. Von Kenderstadt, von Wanderungen, von Kindern, Abenteuern und Glitzersachen.“

Beim letzten Punkt leuchten seine Augen vor Begeisterung und er legt spontan einen kleinen Stepptanz hin.

„Wo, wie, wann wir Kender das erste Mal waren ist natürlich geheim. Ganz geheim, streng geheim. Und alles, was bei uns geheim ist, haben wir eigentlich vergessen (er kicherte). Was wir aber wissen, ist, dass die Göttin Hawa den Wind über die Welt blies und merkte, dass sie auch gerne etwas erschaffen wollte. Wir sagen uns immer, dass sie alleine auf einer Wiese saß, sich einen Grashalm nahm, einen Schlitz hineinmachte und ganz dolle pustete. Das gibt so ein witziges Geräusch.“

Bei diesen Worten glaubten einige der Zuhörer einen Zusammenhang zwischen dem Gerede und Gelächter der Kender und eben jenem Geräusch zu erkennen. Nach einem weiteren Bier war der Gedanke aber auch schon wieder vergessen.

„Und da waren wir dann, liefen über die Wiesen, kletterten auf Bäume und Berge oder gingen schwimmen im großen See und im Meer. Einer soll es sogar geschafft haben in der Luft zu segeln, mit einem großen bunten Tuch. Hach. Fliegende Kender.“

Das Publikum sieht sich bei dem Gedanken etwas nervös an.

„Achja .. Wir haben an Bärten von Zwergen gezogen, haben den Elben ganz viele wichtige Fragen gestellt und mit Menschen gespielt (was auch immer das heißen sollte). Wir haben mit Orks um die Wette Grimassen geschnitten, mit Dunkelalben verstecken gespielt und mit den Goblins gelacht. Und mit Drachen gebrüllt, mit Wüstengeistern im Sand gewühlt, mit Meerjungfrauen geplanscht. Und…“

„Ich merke schon, ihr habt sehr viel gemacht. Ihr seid lieber unterwegs als daheim, oder?“

„Klar wie Glockenbimmeln! Jeder Kender wandert gern, wohin, wie lang, warum ist nicht interessant. Die Reise zählt, die Abenteuer.“

„Stimmt es denn, dass ihr keine Angst habt?“

„Angst? (der Kender schien nicht zu verstehen) Nein so was haben wir, glaube ich, nicht. Sowas wie Respekt haben wir. Falls du das meinst, Menschlein. Hihi. Ich würde ohne weiteres in eine Drachenhöhle marschieren, aber ich weiß, dass das gefährlich ist. Darum stürze ich nicht Hals über Kopf hinein, aber rein geht’s trotzdem. Sind ja so viele schöne Glitzersachen da drin. Glitzersachen, so viele Glitzersachen. Wie sie spiegeln, funkeln, leuchten. So toll.“

„Ich hab ja mal gehört, ihr würdet alles tun für was Glitzerndes, stimmt das?“

„Alles klingt falsch. Wir haben das eben sehr gerne. Wir tauschen auch mal, oder borgen, oder arbeiten dafür. Aber tauschen macht am meisten Spaß. Kling Kling. Mit den besten Tauschgeschäften rühmen wir uns natürlich auch. Hier an meinem Hut ist eine Phönixfeder, die hab ich gegen eine matte Murmel getauscht. Der Priester war völlig aus dem Häuschen. Dann die komische Münze an meinem Stock, die hab ich von einem Alchimisten aus Kesleos.“

Es folgt eine Aufzählung kleinster Kleinigkeiten von Orten, von denen die Anwesenden noch nie gehört hatten.

„Aber eigentlich gehen wir ja nur wandern, um die Welt zu sehen und jemanden zum Leben und lieben zu finden. Und dann, wenn wir so einen haben und ein Kind ins Haus steht, dann brauchen wir natürlich ein Haus. Hihi. So ein Kenderbaby macht ja viel Kreisch Kreisch und isst natürlich viel und braucht andere Kenderkinder. Also geht es zurück nach Kenderstadt in Borea.“

„Warum eigentlich Kenderstadt, wieso habt ihr der Stadt keinen richtigen Namen gegeben?“

„Die Stadt heißt einfach Kenderstadt, kling. Wir wollten sie mal benennen, aber sobald es zur Abstimmung kam, waren die Teilnehmer schon wieder auf Wanderschaft. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen, zwei ziehen ein, drei oder mehr ziehen aus, zwei ziehen wieder ein, setzen sich kurz zur Ruhe. Ziehen dann wieder aus. Ein einziger Kreis. Und immer neue Leute, immer Spaß und vieles was glitzert. Sieht zwar aus wie eine Zwergenstadt, weil es aus Stein ist, ist aber so schön wie von den Elben, so vielseitig wie von euch Menschen und dann noch ganz viele Farben und Glitzerzeug. Je mehr davon, umso reicher ist der Kender der momentan darin lebt. Die Stadt dekoriert sich also ständig neu um, weil alle unterwegs sind. Und wenn dann ein Kenderkind einmal alt genug ist, geht es alleine spazieren und wandern und Abenteuer erleben.“

„Und was macht ihr, wenn euch jemand angreift?“

„Angreifen? Es greift doch niemand einen Kender an. Und wenn, dann hätten wir unseren Schleuderstock mit der Steinschleuder.“

„Es gibt echt viel über euch zu erfahren. Darf man fragen, wer denn die Kenderstadt eigentlich organisiert?“

„Wir alle. Jeder, der Zeit hat, hihi. Und nicht wandern geht. Mhm. Jeder hilft dem anderen, jeder packt mit an. Wieso könnt ihr das eigentlich nicht?“

Mit dieser Frage ist die Zuhörerschaft etwas überfordert und sieht peinlich berührt weg. Einer stopft peinlich berührt seine Pfeife, nur um etwas zu tun zu haben, der andere betrachtet seine Schuhe. Die Stimmung ist im Keller. Die Unschuld und Neugierde eines Kindes, etwas, dass einen Kender auszeichnet und den Unvorbereiteten völlig unerwartet treffen kann. Von alldem bekommt der Erzähler recht wenig mit, sein Blick klebt fasziniert an ein paar glitzernden Perlen, die an dem Gürtel eines Reisenden baumeln.

Ein durchaus vielseitiges und interessantes Volk, diese Kender.